Dr. Astrid Mannes

Meine Entscheidung zum Gesetzentwurf zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende

Ich habe im Bundestag heute für den Gesetzentwurf zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende und gegen die Widerspruchslösung bei der Organspende gestimmt.
Bild: CDU Deutschlands/Christiane Lang
Es klingt auf den ersten Blick nachvollziehbar, wenn man für die Widerspruchslösung anführt, das Recht der Menschen, die auf ein Spenderorgan warten, sei höher zu bewerten als das Recht, einer Entscheidung aus dem Weg zu gehen.
 
Doch: Die Organentnahme ist für den Organspender in jedem Falle tödlich. Einen solchen schwerwiegenden Eingriff darf ein Staat nicht ohne eine aktive Zustimmung des Betroffenen vornehmen! 
 
Es ist nicht vermittelbar, dass kein Newsletter ohne aktive Zustimmung des Empfängers verschickt werden darf, aber einem hirntoten Menschen ohne seine vorherige Einwilligung Organe entnommen werden dürfen, womit dieser Mensch sogar direkt verstirbt. Das würde unserem Rechtssystem widersprechen, das so aufgebaut ist, dass wir den Persönlichkeitsrechten und der Autonomie des eigenen Körpers höchsten Stellenwert einräumen.
 
Wir haben im Deutschen Bundestag im letzten Jahr erst das Transplantationsgesetz novelliert in der Hoffnung, dass dies zu mehr Organspenden führen wird und mehr Menschen, die auf der Warteliste für ein Spenderorgan stehen, geholfen werden kann. Zielsetzung dieses Gesetzes ist es, die Defizite bei der Erkennung und Meldung von Hirntoten seitens der Krankenhäuser zu beheben. Ich hoffe sehr, dass wir durch die organisatorischen und finanziellen Verbesserungen, die wir in diesem Bereich für die Krankenhäuser geschaffen haben, dazu kommen, dass mehr Hirntote gemeldet werden. Würden wir zu einer deutschlandweiten Melderate von 25 % der Hirntoten kommen, würden auch wir in Deutschland Organspenderraten wie in Spanien vorweisen können. 
 
Wir wollen es aber bei diesen Bemühungen nicht belassen. Wir wissen, dass rund 84 Prozent der Menschen der Organ- und Gewebespende positiv gegenüberstehen. Unser Ziel muss also sein, dass die theoretische Bereitschaft vieler zur Organspende in eine tatsächliche und dokumentierte Entscheidung für die Organ- und Gewebespende mündet.
 
Dazu müssen wir Hemmschwellen abbauen und genau das wollen wir mit unserem Gesetzentwurf zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft tun. Menschen müssen ihre Entscheidung möglichst einfach dokumentieren und auch einfach wieder ändern können. 
 
Menschen sind zu Organspenden dann bereit, wenn sie Vertrauen in das System und die Korrektheit der Abläufe haben. Die Freiwilligkeit der Entscheidung stärkt dieses Vertrauen. Ob das Vertrauen auch gestärkt wird, wenn der Staat in das Selbstverfügungsrecht der Menschen über ihren eigenen Körper eingreift, wage ich zu bezweifeln.
 
Wenn wir Schweigen als Zustimmung werten, müssen wir bedenken, dass sich manche Menschen auch nicht mit Organspende auseinandersetzen können. Ich denke an Obdachlose, psychisch Kranke oder andere Menschen, die auf Grund ihrer Persönlichkeitsstruktur nicht zu einer Dokumentation ihres Willens bzw. ihrer Ablehnung kommen (können). Dies gilt es zu sehen und zu respektieren. Diese Menschen dürfen wir nicht über ihren Kopf hinweg zu Organspendern erklären.
 
Der Blick in andere Länder zeigt, dass die Einführung der Widerspruchsregelung nicht automatisch zu einer Steigerung der Organentnahmen führt. Ein Teil unserer Nachbarländer hat die Widerspruchslösung eingeführt und höhere Organspenderzahlen als Deutschland. Bulgarien jedoch hat die Widerspruchslösung und noch geringere Spenderzahlen als wir.  Und die Schweiz hat sehr viel höhere Organspenderzahlen als Deutschland, obwohl sie an der Zustimmungslösung festgehalten hat. 
 
Bei den Vergleichen muss man zudem berücksichtigen, dass in einigen Ländern die Organentnahme bereits nach einem Herzstillstand erfolgt und bei uns erst nach dem Hirntod. Damit sind die Zahlen dann nicht vergleichbar. 
 
Eine im letzten Jahr veröffentlichte Studie der Fachzeitschrift „Kidney International“, die 35 OECD-Länder verglichen hat, kommt zu dem Ergebnis, dass es keine signifikanten Unterschiede in den Organspenderzahlen zwischen Länder mit Widerspruchs- und Ländern mit Zustimmungsregelung gibt.
 
Ich hoffe, dass wir – egal, welcher Gesetzentwurf die Zustimmung erhält – durch die entsprechenden organisatorischen und finanziellen Verbesserungen in den Krankenhäusern und durch eine breitere intensivere Bewerbung der Organspende in jedem Falle zu einer breiteren dokumentierten Organspenderbereitschaft in Deutschland kommen.